Als am späten Abend des 13. Septembers die letzten Wahlbezirke ausgezählt und die Listenplätze durchgerechnet waren, ist auch für die Brühler SPD ein Wahlkampf zu Ende gegangen, wie es bisher noch nie einen gab. “Wir waren uns schon Mitte 2019 einig, dass Wahlkampf nicht mehr allein aus Sonnenschirmen und Kugelschreibern bestehen kann. Wir wollen den Dialog – und zum großen Teil verbreiten sich Ideen und Rückmeldungen heute einfach digital”, erinnert sich Marcus Venghaus. Das gilt für mögliche Wähler ebenso wie für die Mitglieder: Unter Mitwirkung verstehen politisch Engagierte heute etwas anderes als noch vor wenigen Jahren – bei der SPD, die auch ihre Bundesvorsitzenden inzwischen per Mitgliederabstimmung findet, sowieso.
Schon im Herbst 2019 wurde der Grundstein für das Programm der SPD gelegt – in zwei intensiven Workshops, die allen interessierten Parteimitgliedern offen standen. Aus den dort eingebrachten Ideen und Forderungen wurde nach zwei weiteren Mitgliederversammlungen ein umfangreicher Text. Er behandelt neben für die SPD naheliegende Positionen in den Bereichen Wohnen, Soziales, Bildung und Umwelt auch Themen wie die Transparenz politischen Handelns. Unser Fahrplan für die nächsten fünf Jahre.
Und dann kam Corona. Bei den ersten, per Konferenzsystem geführten Treffen des Wahlkampfteams hätte niemand von uns darauf gewettet, dass es im Sommer überhaupt wieder Informationsstände und Hausaktionen geben würde. Umso stärker war der Anreiz, andere Wege zu gehen. Die Webseite der SPD wurde komplett neu aufgebaut und ist nun die wesentliche Plattform für programmatische Arbeit, Botschaften, Blogartikel. Der Facebook-Auftritt konnte fast täglich neue Beiträge einbringen – und in die Diskussion mit den Nutzern einsteigen. “Wir haben noch selten so klar unsere Ideen nach vorn stellen können wie in diesem Kommunalwahlkampf. Und die gemeinsame Arbeit an den Sachthemen, die Suche nach Lösungen macht einfach Spaß, da lassen sich dicke Bretter bohren”, fasst Imke Thamm zusammen. Dahinter stehen ein Vorstand, der Lust darauf hat, neue Wege zu gehen, ein Bürgermeisterkandidat, der sich in den letzten Jahren hohes Ansehen erarbeitet hat – und ein deutlich verjüngtes Team aus Kandidatinnen und Kandidaten für den Rat: Mehr als ein Drittel von ihnen sind noch im Juso-Alter. Dass zuletzt unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen doch viele verschiedene Vor-Ort-Aktionen möglich waren (und, meist mit Dieter Freytags Beteiligung, Hausbesuche, die in die Tausende gehen) ändert nichts daran: Dieser Wahlkampf hatte einen völlig anderen, digitalen Charakter.
Am Wahlabend überwiegt die Zufriedenheit mit dem hervorragenden Abschneiden von Bürgermeister Dieter Freytag: Fast 50% der Stimmen entfielen auf ihn. Einige Mandate haben wir nur um Haaresbreite verpasst: In den Wahlbezirken in Brühl-West rund um Rodderweg und Wasserturm fehlten Udo Bobe und der Juso-Vorsitzenden Marcella Venghaus jeweils nicht einmal zwei Hände voll Stimmen zum Sieg. Andere Mandate konnten wir aus dem Stand holen: Karim Hayit gewann in Heide mit großem Vorsprung, und die “East-Side-Boys” Fatih Türk und Ralph Spandau machen Brühl-Ost zu einer echten SPD-Hochburg. Dass am Ende für die SPD selbst nur gut 30% herausgekommen sind, erklärt sich durch den Zugewinn der Grünen: “Unabhängig von ihrer tatsächlichen Ratsarbeit in Brühl in den letzten sechs Jahren stehen die Grünen für viele Bürger für ökologischen Gestaltungswillen. Aber an dem fehlt es auch der SPD nicht”, ordnet Fraktionsvorsitzender Michael Weitz die Ergebnisse ein. Wir freuen uns auf die Weichenstellungen der nächsten Wochen – insbesondere der Stichwahl für das Bürgermeisteramt am 27. September 2020.
Bereits am Donnerstagabend traf sich die neu zusammengestellte SPD-Fraktion erstmals, um einen Fraktionsvorstand zu wählen. Unser alter und neuer Fraktionsvorsitzender ist ohne Gegenstimmen: Michael Weitz. „Dieses Votum gibt mir einen starken Rückhalt für die anstehenden Gespräche. Wir haben den Grünen und auch der CDU signalisiert, dass wir zu Gesprächen bereit sind“, erklärt Weitz. Dabei kann die SPD durchaus mit einigem Selbstbewusstsein auftreten. Im Vergleich zur letzten Ratswahl hat die SPD zwar rund 4,5% und zwei Ratsmandate verloren. In absoluten Zahlen sind es aber rund 100 Stimmen mehr als noch 2014. Zudem haben wir sieben Direktmandate erhalten – eines mehr als bei der vorherigen Kommunalwahl. Die Brühler SPD muss sich also nicht verstecken. „Wir haben ein Ergebnis eingefahren, dass uns vor einigen Wochen wohl kaum jemand zugetraut hat“, unterstreicht Kerstin Richter, unsere erste stellvertretende Fraktionsvorsitzende. „Abrunden wollen wir das mit einem eindeutigen Votum für Dieter Freytag in der Stichwahl.“ Der Fraktionsvorstand wird vervollständigt durch die zweite Stellvertreterin, Rengin Isicok, und Wolfgang Weesbach als Kassierer. Die Geschäftsführung liegt weiterhin in den Händen von Ulrich Wehrhahn.