Das beherrschende Thema des Jahres 2020 ist die Corona-Pandemie, soweit klar. Aber was war das große Thema des Jahres 2019? Erinnern Sie sich noch? Der Klimawandel hat sich nicht abgemeldet, nur weil das Fernsehen über andere Dinge berichtet. Und auch, wenn die Aufgabe übermächtig erscheint, hilft lokales Handeln. Das ist es, was Kommunalpolitik tut. Also fangen wir an – und bringen Menschen, Mobilität und Umweltschutz zusammen.
Fahren Sie Auto? Kein Grund zum Schämen. Wenn wir ehrlich sind, lassen sich die Anforderungen des Lebens – die Arbeit erreichen, sich um Menschen kümmern, Einkäufe erledigen – heute noch nur schwer ohne Auto erfüllen. Gerade dann, wenn man nicht im Stadtzentrum wohnt. Erst, wenn Mobilität zum Leben passt, ändern sich Gewohnheiten. Dazu gehört, dass man regelmäßig und in jedem Brühler Stadtteil auf den Bus zurückgreifen kann – und auf direkte Bahnlinien, wie die frühere Linie 19 zwischen Brühl und Wesseling, die sich wiederbeleben ließe. Dass man das Fahrrad an der Haltestelle abstellen kann – und es bei der Rückkehr wohlbehalten wiederfindet. Und dass man beim Umsteigen nicht bangen muss, dem Anschlussbus nur noch hinterher zu schauen.
Bisher fahren viele Busse fast ohne Fahrgäste durch Brühl. Die Maskenpflicht macht die Zurückhaltung eher noch größer. Die Antwort ist nicht, Linien aufzugeben – sondern sie smarter zu machen. Ein Stadtbus on demand wäre die Lösung, eine Art Anrufsammeltaxi in groß, dessen Linie nach den Bedürfnissen der Fahrgäste variiert. Angefordert per Telefon oder per App, mit Abholung direkt in der Nähe des Wohnorts, zu einem günstigen, einfach zu verstehenden Preis – so ein Angebot könnte ein Grund sein, gern das Auto stehen zu lassen.
Parkplätze sind praktisch. Schön sind sie nicht. Es liegt nahe, Wohnen und das Abstellen des Autos zu trennen – mit zentralen Quartier-Parkhäusern oder Tiefgaragen. “Autofreies Quartier” ist hier das Zauberwort: weniger versiegelte Straßen und Parkplätze, dafür mehr Grünflächen zum Spielen und Austauschen mit der Nachbarschaft. Weniger Lärm und Dreck, dafür mehr Wohnqualität und saubere Luft.
Aber bedeuten weniger Autos im Quartier nicht auch weniger Mobilität und Flexibilität? Nein, denn autofreie Quartiere setzen auf andere Mobilitätskonzepte. Natürlich darf jeder sein privates Auto haben – aber niemand stellt es sich mehr vor die Haustür. Das Auto wird in einer Quartiers-Garage abgestellt. In einer Mobilitätsstation findet man stattdessen jede Menge andere Verkehrs- und Transportmittel: Fahrräder, auch in der elektrischen Version und zum Transportieren von größeren Einkäufen geeignet, Handkarren, Bollerwagen, Fahrradanhänger stehen hier zur Benutzung bereit. Privates, aber auch kommerzielles Car-Sharing kann dort angeboten werden und ermöglicht so den Verzicht auf ein eigenes Auto, ohne weniger mobil zu sein. Abgerundet wird das autofreie Quartier mit einer guten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. So stehen alle Möglichkeiten offen, um in Brühl und der Region nachhaltig unterwegs zu sein.
Eine der Branchen, die ohne Verluste durch die Corona-Krise gekommen sind, sind die Fahrradhersteller. Radfahren war schon vor der Pandemie eine kluge Entscheidung: für die Gesundheit, für den Geldbeutel, für die Umwelt. Fahrräder helfen, Abstand zu halten – und per e-Bike lassen sich inzwischen auch die Oberdörfer erreichen. Fahrräder sind Prestigeobjekte geworden, und mehr und bessere Fahrradwege sind ein Versprechen, das inzwischen selbst die CDU gibt. Wir stehen dazu – Brühl wird lebenswerter durch mehr Fahrrad-, weniger Autoverkehr in der Stadt. Aber Platz entsteht nicht von allein. Wirklich eigenständige, sichere Fahrradwege gibt es oft nur dann, wenn wir die Autofahrbahn oder den Parkstreifen einschränken. Das muss uns nicht abhalten. E-Bike-Ladestationen, sichere Abstellorte und echte Radstraßen in die Nachbarorte, nach Hürth, Bornheim, Wesseling, sind längst überfällig. Sie machen das Rad als erste Wahl für Mobilität noch ein Stück attraktiver.
Verkehrslärm macht Stress. In Durchgangsstraßen wie der Theodor-Esser-Straße muss man auf dem Fußweg fast schreien, wenn man sich unterhalten möchte. Deshalb: Lasst es uns ruhiger angehen – und langsamer. In den Wohngebieten darf Tempo 30 der Standard sein. In einer überschaubaren Stadt wie Brühl liegt der Zeitverlust bei wenigen Minuten pro Strecke. LKWs, die nicht ihren Start- oder Zielpunkt in der Brühler Innenstadt haben, haben in der City nichts verloren. Zentrale Plätze wie der Janshof gehören den Fußgängern und Café-Gästen, nicht den Autos. Und es schadet nicht, wenn eine Fußgängerampel so lange grün ist, bis auch ein Schulkind oder ein älterer Mensch den Weg über die Straße geschafft hat.
…und zwar nicht einfach immer mehr. Sondern anders. Wir müssen auf Mobilität nicht verzichten, um nachhaltig und hoffentlich bald klimaneutral zu werden. Zu Fuß, mit dem Rad, im ÖPNV oder mit geliehenem Fahrzeug machen wir die Stadt zu dem, was sie sein soll: ein Ort für Bürger. Nicht bloß der Abstellplatz für deren Autos.