Der Daberger Hof war ein hart umkämpftes Wahlkampfthema. Ökologie, Bedarfe, Standorte, Ehrlichkeit, wirtschaftlicher Vorteil – all das wurde in die Waagschale geworfen. Nicht alle haben im Wahlkampf klar Stellung bezogen. Die Bürgerinnen und Bürger aber haben einen Rat gewählt, dessen Mehrheit sich klar positioniert hat: Keine Bebauung des Daberger Hofs.
Warum wird dann noch diskutiert?
Die Hochschule des Bundes ist gewachsen. Nach eigenen Angaben hat sich die Studierendenzahl in den letzten Jahren mehr als verdreifacht. Aber was ist die Prognose für die nächsten Jahre? Wir haben gefragt und unterschiedliche Antworten bekommen.
Nach Darstellung des im September von der örtlichen CDU als Kronzeugen aufgerufenen Staatssekretärs Krings (CDU) aus dem zuständigen Bundesinnenministeriums sinkt der Bedarf von jetzt 1.400 Studierenden auf 1.000 Studierende und bleibt mittelfristig konstant. In einem Brief von Ende November wiederum legt sich der gleiche Herr Krings auf 1.400 Studierende bis Ende 2025 fest. Nach Auskunft der Hochschule selbst, nur wenig später Anfang Dezember versendet, stagniert der Bedarf mittelfristig auf höherem Niveau von reichlich 1.700 Studierenden. Alles ist schriftlich belegt.
Was stimmt nun? Das ist eine Frage, die die Bedarfsträger untereinander abstimmen und dann eindeutig kommunizieren müssen. Übereinstimmung besteht nur darin, dass der Bedarf mittelfristig stagniert. Für welche Frist die Stadt sich damit festlegen soll, wird insbesondere dann unklar, wenn man die heftigen Schwankungen der Studierendenzahlen der Hochschule Bund in den letzten Jahrzehnten insgesamt betrachtet: Die Schwankungsbreite reicht von von kurzzeitig 2.000 bis 11.000 Studierenden.
Wir sind dankbar, dass wir in Brühl Studierende haben. Und die brauchen Platz – zum Lernen und zum Wohnen. Platz, der heute bereits weitgehend vorhanden ist, den die Hochschule aber wohl besser organisieren möchte.
Um wieviel Fläche geht es dabei? Auch hierzu gibt es verschiedene Angaben. Staatssekretär Krings (CDU) vom Bundesinnenministerium nannte im September 9.000 Quadratmeter. Wenig später wird von ihm und der Hochschulverwaltung das Doppelte aufgerufen. Letztere hat allerdings im Frühjahr wiederum nach nur etwa 1.000 zusätzlichen Quadratmetern gesucht. Wieder alles schriftlich belegt. Und wieder nicht eindeutig. Der Rückschluss sei erlaubt, dass es vornehmlich darum geht, bestehende Flächen nachhaltig zu optimieren.
Welches auch immer der mittelfristige Platzbedarf ist: Wir als Stadtgesellschaft möchten uns gemeinsam mit der Hochschule um Lösungen kümmern – sei es auf dem bestehenden Gelände der Hochschule (mit heute großflächig angelegten Parkplätzen und Sportanlagen) oder auf frei werdenden Arealen in der Stadt.
Für eine Umplanung der Bedarfsflächen der Hochschule sind ganz konkrete bestehende Flächen in der Diskussion. Was aber nicht zur Disposition steht, ist eine weitere Bebauung des Daberger Hofs. Diese Fläche ist seit vierzig Jahren als Landschaftsschutzgebiet festgeschrieben – und zwar genau als Ausgleich für den damaligen Bau der heutigen Hochschulgebäude. Das wurde damals gerichtlich festgestellt und von der Stadt umgesetzt. Niemand sollte sich wundern, dass Anwohner dies wissen und sich darauf verlassen.
Aber es geht nicht allein um die Anwohner. Es geht um die Bewahrung einer für die Stadt und für das Stadtklima ökologisch sensiblen Fläche.
Die Diskussion um Kaltluft in Brühl ist mehr als vierzig Jahre alt. Man kann sie schon in Heimatblättern Ende der siebziger Jahre nachvollziehen. Dass dieses Thema inzwischen – man kann es nach den letzten Sommern wortwörtlich sagen – brennende Aktualität bekommen hat, ist für uns alle nachvollziehbar.
Genau für die Fläche am Daberger Hof ist in den letzten Jahren mehrfach gutachterlich festgestellt worden, dass sie für die Kaltluftentstehung und -zuleitung in die Stadt zwingend benötigt wird. So geschehen im Umweltgutachten von 1996 und in diversen klimatechnischen Ausführungen bei Genehmigungsverfahren der letzten Jahre. Erst im letzten Jahr ist zudem an dieser Stelle eine überregionale Bedeutung für die Klimavorsorgestrategie des Raums Köln-Bonn kartiert worden. Und auch 2018 haben Gutachter für die Stadt diese Fläche als nicht zu bebauen ausgewiesen. Deswegen musste es ein Gutachten geben, um das Plangebiet von 34 Tsd. Quadratmetern klimatechnisch zu bewerten.
Das nun vorliegende Investoren-Gutachten kann die durch Experten vorgenommene Einstufung als schützenswerte Fläche nicht entkräften. Es enthält zu viele offene Fragen und handwerkliche Fehler: Zuallererst ist die Kaltluftentstehung nicht untersucht worden. Es sind auch nicht wirklich Kaltluftströmungen untersucht, sondern es ist eher eine stramme Westwind-Wetterlage vorausgesetzt worden. Weiter ist mit einem für die Fragestellung nicht ausgelegten Analyse-Modell gearbeitet worden. Im oben besagten Gutachten von 2018 hatten die Gutachter für die Kaltluftanalyse ein anderes, geeigneteres Modell herangezogen. Ferner ist der Volumenstrom des betreffenden Geländes analytisch zerlegt worden, wodurch kritische Schwellwerte unterlaufen werden. Und schließlich wird im Gutachten zu wesentlichen Sachverhalten auf andere Stellen im Dokument verwiesen, die gar nicht existieren.
Muss man als Stadt alle Wünsche eines örtlichen Arbeitgebers erfüllen? Das wird niemand behaupten, auch wenn genau das ganz regelmäßig von jedem Investor vorgebracht wird. „Dann gehen wir eben in eine andere Stadt.“ Umso mehr müssen wir schauen, dass wir uns nicht in zu hohe Abhängigkeit von einzelnen Betrieben bringen – das macht am Ende unseren Standort nicht attraktiver. Die Hochschule hat heute außer in Brühl auch noch Standorte in Berlin, Kassel, Langen, Lübeck, Mannheim, Münster und Wiesbaden. Auch in Zukunft wird es mehrere Standorte geben. Wir wissen außerdem: Es gibt keine Pläne, den Standort Brühl aufzugeben. Auch das ist aktuell schriftlich belegt.
Damit öffnen wir ein anderes, grundsätzliches Kapitel: Wie wollen wir miteinander umgehen? Wir konnten unter dem Titel „Klare Faktenlage“ in dem neu gegründeten Magazin „Bruehl.report“ vieles lesen. Aber nicht die Fakten, die oben wiedergegeben sind. Stattdessen wurden falsche Aussagen zum Gutachten gemacht und sinnentstellende Interviewpassagen wiedergegeben.
Was die Leute aufbringt: Der Bürgerinitiative gegen die Bebauung des Daberger Hofs werden „fehlerhafte Information und inkorrekte Aussagen“ unterstellt. Irritierend ist auch, dass Bruehl.report erst vor wenigen Wochen gegründet wurde und einem der Investoren gehört. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Tendenz der dortigen Berichterstattung erklären. Besser fahren wir, wenn wir die verschiedenen Interessenlagen ehrlich auf den Tisch legen.