Allmählich spricht sich herum, dass Kindertagesstätten keine reinen Betreuungseinrichtungen mehr sind. Sie unterstützen die Entwicklung der betreuten Kinder und stärken auch die Eltern durch Beratung und Information. Spätestens seit der Einrichtung der Familienzentren können sich Eltern mit den Erzieher/innen und anderen Fachkräften über Fragen der Erziehung, Ernährung, Bewegung und Integration austauschen – gerade auch dann, wenn mal nicht alles ganz rund läuft. Durch die gemeinsame Nutzung der Angebote lernen sich Eltern auch untereinander kennen. Vor allem aber werden die Familien gestärkt, damit die Kinder noch besser aufwachsen.
Mit dem Wechsel an die Grundschulen reißt dieses Angebot ab. Warum eigentlich? Warum sind nicht auch Grundschulen Familienzentren, über den Offenen Ganztag hinaus, in dem ja nicht alle Kinder betreut werden? Für uns stehen die Familien auch dann im Mittelpunkt, wenn die Kinder nicht mehr im Kindergartenalter sind.
In Brühl sind bereits sechs Familienzentren entstanden. Teilweise als einzelne Kindergärten, teilweise im Verbund mehrerer Einrichtungen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht nur für die Betreuung und Förderung von Kindern da sind. Sie sind auch Orte, in denen eine breit gefächerte Beratungs- und Unterstützungsstruktur bereit steht. Die Erzieherinnen und Erzieher, aber auch Logopäden, Sozial- und Musikpädagogen stehen den Eltern bei ihren Fragen zu Alltags-, Gesundheits- oder Erziehungsthemen zur Seite. Das stärkt die Familien und letztlich auch die Kinder. Ausgangspunkt sind dabei immer die Problemlagen und Belastungen der Familien. Hier gelingt Beratung ohne große Hürden vor allem im Elterncafé, aber auch beim Beisammensein in der Abholphase, bei Elternabenden, bei Workshops am Wochenende, mitten in der gewohnten Umgebung der Kita. Damit leisten die Familienzentren einen enormen Beitrag, damit Erziehung und Ermutigung gelingt.
Der Ansatz der Familienzentren – rechtzeitig zu beraten und zu unterstützen – funktioniert auch deshalb so gut, weil er an einem Ort stattfindet, den fast jedes Kind im passenden Alter besucht: im Kindergarten. Doch wieso sollte diese wichtige Unterstützung beim Wechsel in die Grundschule verloren gehen? Die Familien von Grundschulkindern sind oft mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie die von Kindergartenkindern. Wenn wundert es? Es sind ja dieselben Familien, und deren Probleme enden nicht einfach, weil das Kind eingeschult wird. Und auf der Grundschule können noch ganz neue Fragen hinzu kommen: Lernt mein Kind richtig, braucht es zusätzliche Unterstützung? Wie schafft es mein wuseliges Kind, sich im Schulalltag zu konzentrieren? Wie gehen wir als Familie mit digitalen Medien um? Ist es normal, dass mein Kind so oft aggressiv reagiert? Wie viel Taschengeld ist angemessen? Was kommt nach der Grundschule? Wir wollen, dass die Familien weiterhin im Mittelpunkt stehen und machen die Schulen zu Familienzentren.
Es gibt in den Grundschulen bereits gut funktionierende Strukturen, auf denen aufgebaut werden kann. Die Schulsozialarbeit ist seit längerer Zeit etabliert, auch die Fachkräfte der Offenen Ganztagsschulen stehen Eltern und Kindern mit Rat und Tat zur Seite. Letztlich sind die engagierten Lehrer/innen enorm wichtige Bezugspersonen für die gesamte Familie.
Und dennoch gibt es immer noch viele Eltern, die diese Angebote nicht annehmen können oder wollen. Denn was denkt bloß der Klassenlehrer, wenn man ihm von den Problemen zuhause erzählt? Wenn dann das soziale Umfeld diese Probleme nicht auffangen kann, bleiben die Familien mit ihren Sorgen alleine. Am Ende leiden darunter die Kinder.
Um Familien zu stärken, müssen wir Barrieren einreißen und auch in den Grundschulen dichte Kooperationsnetzwerke aufbauen. Familiengrundschulen sollen Orte des Vertrauens sein, in denen alle Themen auf den Tisch kommen, die Familien beschäftigen. In einem Eltern-Café, in entspannter Atmosphäre, wird Beratung angeboten, ohne dass Termine vereinbart werden müssen. Man darf einfach zuhören, einfach fragen. Und erfährt, dass man mit kaum einem Problem allein da steht und dass es für fast alles weitergehende Unterstützung gibt.
In der Vergangenheit ist auch in Brühl ein bemerkenswertes Netz aus Unterstützungs- und Beratungsangeboten für Familien entstanden. Und dennoch kommt die Hilfe oft nicht bei denen an, die sie am dringendsten brauchen. Weil sie sie nicht kennen. Weil sie sich wegen ihrer Probleme schämen. Weil sie die Sprachbarriere fürchten. In Familiengrundschulen stehen Hilfe und Beratung dort bereit, wo die Eltern sind – jeden Tag. Und vermitteln auf diese Weise viel einfacher als bisher die Lösungen, die Familien wirklich brauchen.